Elektro- oder Hybridantrieb – sind wir bereit dafür?
Linssen Pénichette für Locaboat mit LIPPCON®-Antrieb
Für Locaboat, eines der größten Charterunternehmen, entwickelten wir das nagelneue Linssen-Modell Pénichette Évolution. Der Prototyp ist mit dem LIPPCON®-Antrieb ausgerüstet. Herzstück des LIPPCON®-Systems ist ein leiser Dieselgenerator. Dieser versorgt sowohl den Hauptelektromotor, der die Propellerwelle bewegt, als auch den Elektromotor, der Bug- und Heckstrahlruder antreibt, mit Strom, ebenso alle Elektrogeräte an Bord, sogar wenn der Hauptmotor nicht läuft. Das Schiff hat außerdem eine Joystick-Steuerung, mit der es sich von jedem Anfänger, aber auch von allen Experten bequem manövrieren lässt und wobei LIPPCON® das Zusammenspiel von Hauptmotor und Bug- und Heckstrahlruder regelt – und das alles mithilfe von Elektromotoren. Auch das ist LIPPCON®!
Im Juli 2017 hat Locaboat 38 Pénichettes in Betrieb genommen. Das war für uns die große Chance, unsere elektrische Antriebstechnik in der Praxis umfänglich zu testen. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.
Die Welt der Antriebssysteme ist in den letzten Jahren ordentlich in Bewegung geraten. Seit der sogenannte Grüne Deal – dessen Ziel die Senkung des CO2-Ausstoßes um 50 % bis 2030 ist – die Politik sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene mitbestimmt, wird in vielen Branchen am Thema Klimaschutz gearbeitet. Anders als die Automobilbranche unterliegt der Yachtbau als relativ kleine Branche noch keinen konkreten Klimavorgaben. Da wir zum Teil jedoch die gleichen Technologien wie die Automobilbranche nutzen, wird der Klimaschutz auch für uns immer mehr zum Thema.
Pkw versus Lkw, Sportboot versus Motoryacht
Obwohl Motoryachten regelmäßig mit Pkw verglichen werden, ist dieser Vergleich nur für kleine offene Boote mit einer Länge von unter 10 Metern angebracht. Größere und schwerere Yachten sind wohl eher mit einem Lkw oder Reisebus vergleichbar, die mit Blick auf Gewicht, benötigte Leistung und Art der Nutzung (d. h. für lange Fahrten) Ähnlichkeiten aufweisen. Vergleichbarkeit besteht auch hinsichtlich der noch begrenzt verfügbaren Ladeinfrastruktur. Autonomie lautet das Stichwort.
Lkw und Reisebusse weisen genau wie unsere Motoryachten eine große Masse auf, die in Bewegung gesetzt und bewegt werden muss. Dazu bedarf es einer hohen Leistung.
Aus der gewünschten Autonomie und der benötigten Leistung ergibt sich eine hohe benötigte Akkukapazität. Akkus sind bisher jedoch sehr teuer. Dies ist auch der Grund dafür, dass wir heute fast nur noch Hybridlösungen sehen, d. h. ein Dieselmotor (Generator) mit der üblichen Leistung ergänzt durch einen Elektroantrieb mit kleinem Akkupaket. Diese Lösung hat natürlich einen gewissen Charme, aber ist sie auch sinnvoll? Faktisch handelt es sich um zwei unabhängige Antriebe auf derselben Schraube. Der Preis und auch die Wartungskosten werden durch diesen doppelten Antrieb deutlich erhöht – bei kaum spürbarer Positivwirkung für die Umwelt. Damit trägt diese Lösung nicht wirklich zur Senkung der CO2-Emissionen bei. Das schaffen nur vollelektrische Antriebe und auch nur solche, die mit Ökostrom betrieben werden.
Wir von Linssen Yachts befassen uns ebenfalls mit diesem Thema und streben eine vollelektrische Lösung an. Natürlich verfolgen wir auch die Entwicklungen in anderen Bereichen, etwa beim Wasserstoff. Im Vergleich zum Akkuantrieb ist diese Technologie jedoch vermutlich noch nicht weit genug fortgeschritten.
100 % elektrisch angetriebene Linssen-Yachten
Zurück zum Elektroantrieb. Um eine Motoryacht auf Cruise-Geschwindigkeit zu bringen, braucht es eine Leistung von 3 bis 4 kW je Tonne. Bei einer 35 Fuß langen Stahlmotoryacht mit einem Gewicht von 8 bis 9 Tonnen wird also eine Leistung von 25 bis 30 kW je gefahrener Stunde benötigt. Hochgerechnet auf eine eintägige Fahrt wären das 100 bis 150 kW. Noch nicht berücksichtigt ist dabei der Verbrauch des Bordnetzes, der Bug- und der Heckschraube und der Heizung. Die Preise für Akkus sind aufgrund der hohen Nachfrage und der vergleichsweise begrenzten Produktionskapazität mit um die 1.000,- € pro kWh noch sehr hoch. Damit ist klar, dass schon das Basisakkupaket sehr teuer wäre.
Wenn man dann die geringen Emissionen unserer genau auf die Rumpfgeschwindigkeit abgestimmten Dieselmotoren danebenlegt, ist der derzeit genutzte Antrieb in Sachen Klimaschutz immer noch überlegen.
Aufladen
Nichtsdestotrotz glauben wir an die Zukunft des Elektroantriebs, auch in unserer Branche. Bis diese Technologie praktisch und wirtschaftlich umsetzbar ist, wird es allerdings noch eine Weile dauern. Erst müssen einige wichtige Faktoren weiterentwickelt werden. Die Energiedichte, die Anzahl an Ladezyklen und die Akkulebensdauer werden immer besser und die Preise sinken. Solarsysteme werden immer effizienter und können dazu beitragen, dass die Akkus (zum Teil) bei der Nutzung des Bootes aufgeladen werden. Auch muss die Ladeinfrastruktur in den Yachthäfen ausgebaut werden. Dies ist Aufgabe der Hafeneigentümern und vielleicht auch die der Politik. Darüber hinaus überlegen wir natürlich, wie wir unsere Motoryachten – ohne Kompromisse bei der Qualität und den Fahreigenschaften – leichter machen können, sodass weniger Leistung notwendig ist.
Die Zusammenführung all dieser Faktoren braucht Zeit. Unser Forschungsteam führt Tests und Untersuchungen durch und ist mit führenden Parteien im Gespräch, um das nötige Know-how zusammenzutragen. Dadurch werden wir, wenn die Zeit reif ist, auch elektrisch angetriebene Yachten in unser Programm aufnehmen. All das unter einer gesunden Spannung ...
Wir halten Sie natürlich auf dem Laufenden!